Das Blackjack-Team vom MIT

Zwischen 1979 und der Jahrtausendwende waren ein paar kluge Köpfe mit einer kreativen Kartenzählstrategie und privat zusammengebrachtem Kapital in amerikanischen Spielkasinos unterwegs. Sie sahnten kräftig ab, und sie kamen alle aus derselben Talentschmiede: dem Massachusetts Institute of Technology, dem MIT, wo viele von ihnen Mathematik studierten.

Teams aus Kartenzählern

Begonnen hatte ihre Erfolgsserie mit simplem Kartenspielen zur Entspannung. Da waren sie alle noch Studenten. Einige von ihnen hatten die Idee, die Spielkasinos mit Mathematik zu schlagen. Die Studenten begannen, die begabtesten Spieler durch Tests herauszufiltern. Sie entwickelten eine neue Strategie, welche die besonderen Fähigkeiten der Teammitglieder ebenso berücksichtigte wie die mathematischen Grundlagen des Spiels. Die Idee: Teams aus Kartenzählern und Spielern maximieren die Gewinnchancen und gestatten es, das Zählen und damit die Wettstrategien verborgenen zu halten. Dann ging es ans Einüben der Strategie. Unermüdlich wurde geübt, geübt, geübt. Dann begannen sie, um die Spieltische zu ziehen.

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Der Erfolg kam aber erst, als J.P. Massar, der eine grundlegende Rolle im MIT-Team spielte, zufällig mit Harvard-Absolvent Bill Kaplan zusammentraf, der bereits ein erfahrener Kartenzähler war und erkleckliche Summen bei Blackjack gewonnen hatte. Kaplan ging auf Fehlersuche bei den MIT-Studenten und wurde fündig. So gab es kein einheitliches Zählsystem, weil jeder auf der eigenen statistischen Methode beharrte, beim Wetten traten Schwächen zutage, es gab Streit über einfache Formeln, und den Blackjack-Tabellen hätte mehr Aufmerksamkeit gebührt. Kurzum: die Studenten agierten nicht wirklich als Team. Also optimierte Kaplan die Strategie. Fortan gab es ein verbindliches Zählsystem und eine rigide Disziplin. Kaplan trainierte die Studenten und führte sie zum Erfolg.

Schon nach zehn Wochen Training begannen sie, Gewinne einzufahren, so dass sie ihre Einsätze verdoppeln und noch mehr gewinnen konnten. Die Glückssträhne hielt während der ganzen 1980er Jahre und auch später noch an. Bill Kaplan musste sich zeitweise vom Spielen zurückziehen – sein Gesicht war in den Casinos einfach zu bekannt – er gründete aber 1992 ein eigenes Unternehmen für das Team: Strategic Investments. Inspiriert von einer Rendite von 100% brachten Freunde und anonyme Investoren 1 Million Dollar Startkapital zusammen. Die Firma setze sich die Aufgabe, geeignete Studenten in Kartenzählen und Spielen auszubilden.

Starke Nerven erforderlich

In einem Interview für die BBC erzählte Bill Kaplan, wie nervenstark man sein musste, auch wenn man sich seiner Kartenzählmethode sicher war. Da gab es Mike Aponte, einen 22-jährigen Studenten, der das Zählen perfekt beherrschte und von der Firma 40 000 Dollar erhielt, um zum ersten Mal in seinem Leben für das Team zu spielen. Die Summe war allein schon ein Schock für Mike, doch als er auch noch gleich am ersten Abend 10 000 Dollar verlor, hatte er ganz schön mit sich selbst zu kämpfen. Aber er behielt die Nerven. Er setzte weiter auf die Strategie des Teams, die er so gut beherrschte, und wetzte die Scharte aus. Am nächsten Abend erspielte er einen Profit von 25 000 Dollar für das Team.

Neben den Gewinnen war es aber nicht nur der Nervenkitzel, der Kick, der die Teammitglieder lockte. Wer im Casino viel Geld setzt, genießt dort nämlich so etwas wie einen VIP Status. Schließlich wollen die Casinos ihn ausnehmen. Er wird umworben, erhält Boni, Drinks und Speisen, darf kostenlos in umwerfend luxuriösen Hotelzimmern wohnen, ganz gleich, ob er gewinnt oder nicht. Wenn das nicht Party pur ist. Für Studenten, die es nicht so dicke hatten, war das sehr verlockend.

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Die Kehrseite

Die Kehrseite davon war allerdings, dass man auch dem Image zu entsprechen hatte, das sich die Casinos von den Reichen und Berühmten machten. Man musste eine geeignete Story parat haben und entsprechend auftreten. Für Mike Aponte war es die Geschichte des verwöhnten Sohnes reicher Eltern, die er als Asiate glaubwürdig verkörperte. Dennoch musste er sich erst an die Aufmerksamkeit gewöhnen die er plötzlich genoss.

Der Spagat zwischen dem Leben als VIP und als Student war nicht für alle einfach. Ein Student vergaß einmal den Gewinn – über 100 000 Dollar -, den er in einer Papiertüte aufbewahrte und Montag früh in der Uni unter seinen Sitz geschoben hatte. Als er zurückhetzte, war der Umschlag schon weg. Er hatte aber Glück im Unglück, weil eine Reinigungskraft das Geld gefunden und in ihren Spind gepackt hatte. Es dauerte dennoch ein halbes Jahr, bis er ihn zurückerhielt und außerdem trug es dem Team eine peinliche Untersuchung des FBI ein.

Anfang der 1990er Jahre flog das Team auf. Die Casinos heuerten einen Privatdetektiv an, der den Studenten mittels ihrer Bostoner Adresse – dem Standort des MIT – und eines Jahrbuchs auf die Schliche kam. Immer mehr Studenten wurden erkannt und durften nicht mehr Blackjack spielen.

Was ist denn passiert?

Viele stiegen jetzt aus, einige aber begannen, Undercover, in Verkleidung, zu spielen. Schlussendlich führte die veränderte Situation im Dezember 1993 aber zur Schließung der Firma Strategic Investments. Kaplan kümmerte sich fortan um seriösere Geschäfte, aber einige der Studenten machten ihre eigenen Teams auf und spielten weiter Blackjack in Casinos, wie zum Beispiel Aponte. Es nimmt nicht wunder, dass die Geschichte sich wiederholte. Aponte wurde bald erkannt… und unterrichtet heute Leute in Blackjack und berät Casinos.

Wie viel Geld die MIT-Studenten insgesamt gewonnen haben, ist übrigens nicht bekannt.

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